Ärger mit Mietern von Miteigentümern – Was können Eigentümer tun? (WEG-Reform 2020)

Ärger mit Mietern von Miteigentümern – Was können Eigentümer tun? (WEG-Reform 2020)

In Wohnungseigentümergemeinschaften werden Eigentumswohnungen häufig vermietet. Bei Liegenschaften, die der Kapitalanlage dienen, ist das gang und gäbe. Dagegen wird in meist kleineren Wohnanlagen, in denen die Eigentümer ihre Wohnungen überwiegend selbst nutzen, eine Vermietung nicht so gerne gesehen. Denn diese Eigentümer achten sehr auf ein ruhiges Zusammenleben und eine gepflegte Immobilie. Gerade hier kommt es daher besonders schnell zu Konflikten mit Mietern von Miteigentümern, wenn die Mieter durch ihr Verhalten die anderen Eigentümer beeinträchtigen.

Was die betroffenen Eigentümer gegen Ärger mit Mietern von Miteigentümern unternehmen können, erfahren Sie hier.

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1. Mieter von Miteigentümern: Das gilt für die einzelnen Rechtsverhältnisse

Möchte ein Wohnungseigentümer bzw. die Eigentümergemeinschaft gegen das beeinträchtigende Verhalten des Mieters eines Miteigentümers vorgehen, sind die verschiedenen Rechtsverhältnisse zu berücksichtigen. Zunächst bestehen zwischen dem Mieter eines Miteigentümers und dem Miteigentümer als Vermieter mietvertragliche Beziehungen. Damit hat der beeinträchtigte Wohnungseigentümer bzw. die Eigentümergemeinschaft allerdings nichts zu schaffen. Insbesondere kann der vermietende Miteigentümer seinem Mieter keine weitergehenden Rechte einräumen, als ihm als Miteigentümer gegenüber der Eigentümergemeinschaft selbst zustehen. Der Mieter ist daher ebenso an die für den Miteigentümer geltenden gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse gebunden wie der Miteigentümer.

Demnach ist der Mieter auch den Gebrauchs- und Nutzungsregelungen der Eigentümergemeinschaft unterworfen, die diese durch Beschluss oder Vereinbarung für das Gemeinschaftseigentum festgelegt hat. Das gilt auch für eine vermietete Eigentumswohnung als Sondereigentum, sofern eine Gebrauchsregelung vereinbart und im Grundbuch eingetragen ist (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25.10.2019, Az.: V ZR 271/18).

Bei Ärger mit Mietern kann zunächst die Eigentümergemeinschaft gegen den Miteigentümer als Vermieter des störenden Mieters vorgehen. Denn der Miteigentümer muss sich das Verhalten seines Mieters zurechnen lassen, wenn der Mieter dadurch das geltende Gemeinschaftsrecht verletzt.

Um wiederum gegen den störenden Mieter vorzugehen, bestehen alternativ oder zugleich folgende Möglichkeiten:

  • Zum einen ist die Eigentümergemeinschaft berechtigt, die sich aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte gegenüber dem Mieter geltend zu machen
  • Zum anderen kann der beeinträchtigte Wohnungseigentümer aus eigenem Recht gegen den Mieter vorgehen, sofern sich die Störungen gegen das Sondereigentum (Eigentumswohnung) des Eigentümers richten

Und schließlich kann ein in seinem Sondereigentum beeinträchtigter Wohnungseigentümer statt gegen den Mieter des Miteigentümers regelmäßig auch unmittelbar gegen den Miteigentümer vorgehen.

So kommt es vor, dass ein Mieter die ihm vermietete Eigentumswohnung entgegen der Zweckbestimmung zu einer gewerblichen Tätigkeit nutzt, wobei deren Lärm die benachbarten Wohnungseigentümer belästigt. Hier kann die Eigentümergemeinschaft vom Mieter die Unterlassung der gewerblichen Nutzung verlangen. Zudem können die betroffenen Eigentümer fordern, dass der Mieter die Lärmbelästigungen zu unterlassen hat. Statt an den Mieter kommt es für die betroffenen Eigentümer auch in Betracht, sich unmittelbar an den Miteigentümer als mittelbaren Störer zu wenden. Zu beachten ist aber, dass die Eigentümergemeinschaft gegen die Nutzung entgegen der Zweckbestimmung vorgehen muss, während die vom Lärm betroffenen Eigentümer lediglich die Unterlassung der Lärmbelästigungen verlangen können..

Der vermietende Miteigentümer sollte unbedingt darauf achten, dass der Mietvertrag keine Bestimmungen enthält, die dem für ihn geltenden Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufen. Um Probleme mit nach dem Abschluss des Mietvertrags gefassten Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft zu vermeiden, sollte der Vermieter – bei Abschluss des Mietvertrags – zugleich mit dem Mieter eine Individualvereinbarung mit einer Anpassungs- bzw. dynamischen Verweisungsklausel treffen, wonach der Mietvertrag auch künftig mit den Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft übereinstimmt. Dabei verpflichtet sich umgekehrt der Vermieter, den Mieter unverzüglich über solche Beschlüsse zu informieren.

2. Eigentümergemeinschaft gegen Miteigentümer: Abgestuftes Vorgehen

Vor dem Inkrafttreten der WEG-Reform am 01.12.2020 waren im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ausdrücklich die Pflichten eines jeden Wohnungseigentümers bestimmt, der anderen Personen die Benutzung seines Wohnungseigentums überließ. Danach musste der Eigentümer dafür sorgen, dass die anderen Personen die Eigentumswohnung und das Gemeinschaftseigentum nur in der Weise nutzten, dass keinem anderen Wohnungseigentümer über ein geordnetes Zusammenleben hinausgehende Nachteile entstanden. Davon erfasst war insbesondere der Mieter des jeweiligen Eigentümers.

Obwohl diese Vorschrift weggefallen ist, besteht ihr Regelungsgehalt auch nach der WEG-Reform weiterhin. Denn nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG muss jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Eigentümergemeinschaft die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einhalten. Zudem ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, die anderen Eigentümer über ein geordnetes Zusammenleben hinaus nicht zu beeinträchtigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beeinträchtigung unmittelbar durch Eigennutzung oder mittelbar durch Fremdnutzung (wie durch einen Mieter) erfolgt. Wird einem Mieter zulässig die Eigentumswohnung vermietet, stört er aber unzulässig andere Eigentümer, wird dem Miteigentümer das störende Verhalten des Mieters zugerechnet. Denn der Mieter ist nach § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Erfüllungsgehilfe des Miteigentümers für dessen Pflichten gegenüber der Eigentümergemeinschaft (Saarländisches Oberlandesgericht (OLG), Beschluss vom 04.04.2007, Az.: 5 W 2/07-2, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Demgegenüber nimmt der BGH den Miteigentümer in die Verantwortung, wenn dieser dem Mieter den Gebrauch der Eigentumswohnung mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen hat oder es unterlässt, den Mieter von Beeinträchtigungen des fremden Eigentums abzuhalten(BGH, Urteil vom 18.12.2020, Az.: V ZR 193/19).

Im Ergebnis steht damit fest, dass der vermietende Miteigentümer als mittelbarer Störer für die Beeinträchtigungen der Eigentümergemeinschaft durch den Mieter einstehen muss. Die Eigentümergemeinschaft ist auch dazu berechtigt, die ihr aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte geltend zu machen, § 9a Abs. 2 WEG. Dabei hat zunächst der Verwalter gegenüber dem Miteigentümer auf die Beachtung derHausordnung durch dessen Mieter hinzuwirken, bevor Unterlassungsansprüche und als letztes Mittel (Ultima Ratio) die Entziehung des Wohnungseigentums gegenüber dem Miteigentümer in Betracht kommen.

Das alles gilt auch für Miteigentümer, die einer anderen Person eine Eigentumswohnung anstatt einer Vermietung aus sonstigen Gründenüberlassen, etwa bei einer Besitzübertragung aufgrund eines Nießbrauchs.

2.1. Durchführung der Hausordnung: Verwalter hat Miteigentümer auf Pflichten hinzuweisen

Als Folge der WEG-Reform ist der Verwalter nun Vertretungs- und Ausführungsorgan der Eigentümergemeinschaft. Daher hat er auch für die Durchführung der aufgestellten Hausordnung zu sorgen. Der Verwalter muss also bei von ihm festgestellten oder ihm gemeldeten Verstößen diejenigen Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass die Wohnungseigentümer die Hausordnung einhalten. Gegenüber den in der Wohnanlage lebenden Eigentümern geschieht das regelmäßig durch Aushänge im Treppenhaus, Rundschreiben, Aufforderungsschreiben an einzelne Eigentümer und dergleichen mehr, in denen die Eigentümer auf die Einhaltung der einzelnen Pflichten nach der Hausordnung hingewiesen werden. Anders ist das bei einem Eigentümer, der seine Wohnung vermietet hat. Hier muss der Verwalter den vermietenden Miteigentümer dazu auffordern, seinen Mieter anzuhalten, die Bestimmungen der Hausordnung zu beachten. Das sollte schriftlich geschehen, damit die Aufforderung an den Miteigentümer, auf den Mieter einzuwirken, und der Verstoß des Mieters nachgewiesen werden können.

Verstößt der Mieter weiterhin gegen die Hausordnung, stellt sich die Frage, ob der Verwalter auch rechtliche Schritte gegen den vermietenden Miteigentümer einleiten darf, also etwa einen Rechtsanwalt einschalten oder eine Klage einleiten. Dazu hat der Verwalter nach außen die erforderliche Vertretungsmacht, § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG.

Im Innenverhältnis gegenüber der Eigentümergemeinschaft sind dem Verwalter solche Maßnahmen jedoch nicht gestattet. Denn nach § 27 Abs. 1 WEG ist der Verwalter gegenüber der Eigentümergemeinschaft lediglich zu solchen Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung berechtigt und verpflichtet, die

  • von untergeordneter Bedeutung sind und die Eigentümergemeinschaft nicht erheblich verpflichten oder
  • zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind

Die Einleitung rechtlicher Schritte gegen einen vermietenden Miteigentümer hat aber keine untergeordnete Bedeutung und ist auch nicht eilbedürftig. Der Verwalter ist daher gehalten, die Frage der gegen den Miteigentümer zu ergreifenden Maßnahmen auf die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung zu setzen. Dort beschließen dann die Wohnungseigentümer über das Vorgehen gegen den vermietenden Miteigentümer. Handelt es sich um einen Fall besonderer Dringlichkeit ist, ist eine außerordentliche Eigentümerversammlung anzuberaumen.

2.2. Unterlassungsanspruch: Miteigentümer muss sich um Mieter kümmern

Die Eigentümergemeinschaft kann den vermietenden Miteigentümer nach §§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 1004 Abs. 1 BGB als mittelbaren Störer auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn dessen Mieter gegen die Hausordnung verstößt, das Gemeinschaftseigentum fortlaufend beschädigt oder die Nutzung dem Bestimmungszweck des Sondereigentums zuwiderläuft.

Im Gerichtsverfahren nützt es dem vermietenden Miteigentümer nichts, wenn er vorträgt, dass er seinen Mieter erfolglos zur Unterlassung der Beeinträchtigungen aufgefordert hat. Das wird erst bei der Zwangsvollstreckung berücksichtigt. Die Inanspruchnahme des vermietenden Miteigentümers scheidet nur aus, wenn ein Unterlassungsanspruch gegen ihn unter keinen Umständen durchzusetzen ist (BGH, Urteil vom 16.05.2014, Az.: V ZR 131/13).

Der Anspruch (bzw. die Klage oder bei besonderer Eilbedürftigkeit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) gegen den vermietenden Miteigentümer bezieht sich allein auf die Unterlassung der konkret zu benennenden Störung. Wie der Miteigentümer dem nachkommt, bleibt ihm überlassen.

Ergeht im Gerichtsverfahren ein Urteil bzw. eine einstweilige Verfügung gegen den Miteigentümer, so dass die Unterlassungsverpflichtungtituliert ist, kann die Eigentümergemeinschaft die Zwangsvollstreckung beantragen. Das geschieht nach § 890 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Androhung und nachfolgend Verurteilung zu Ordnungsgeld oder – falls das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung. Das Vollstreckungsgericht prüft in dem Verfahren, ob sich der Miteigentümer um die Erfüllung seiner Unterlassungsverpflichtung ausreichend gekümmert hat. Dabei muss der Miteigentümer mit sämtlichen ihm zumutbaren tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen gegen den Mieter vorgehen, damit dieser die Beeinträchtigungen unterlässt. Es ist aber Sache des Miteigentümers, welche Maßnahmen er im Einzelnen ergreift (etwa Abmahnung, Kündigung, Klage). Insbesondere kann der Miteigentümer von den übrigen Eigentümern dazu nicht verpflichtet werden, dem Mieter zu kündigen (OLG Köln, Beschluss vom 15.01.1997, Az.: 16 Wx 275/969).

Problematisch für den Miteigentümer ist es, wenn er dem Mieter im Mietvertrag die gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Nutzung gestattet hat und dem Mieter damit mehr Rechte eingeräumt hat, als ihm als Miteigentümer selbst zustehen. Hier kann der Miteigentümer eineUnterlassung der störenden Nutzung nur einvernehmlich mit dem Mieter vereinbaren, wozu der Miteigentümer dem Mieter wohl eine nicht zu geringe Entschädigung zahlen dürfte.

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2.3. Entziehung des Wohnungseigentums: Letztes Mittel gegen den Miteigentümer

Bleibt der Miteigentümer gegenüber dem Mieter untätig, obwohl dieser durch sein Verhalten die anderen Wohnungseigentümer bzw. die Eigentümergemeinschaft schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt, ist als letztes Mittel (Ultima Ratio) die Entziehung des Wohnungseigentums gegenüber dem Miteigentümer möglich. Es müssen allerdings zuvor alle milderen Mittel ausgeschöpft werden (Landgericht (LG) Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.05.2021, Az.: 2-13 S 116/20). In diesen eher sehr selten Fällen gilt Folgendes:

2.3.1. Generalklausel: Fortsetzung der Gemeinschaft mit Miteigentümer nicht zumutbar

Die Generalklausel des § 17 Abs. 1 WEG bestimmt, dass die anderen Wohnungseigentümer von einem Miteigentümer die Veräußerung des Wohnungseigentums verlangen können. Voraussetzung dazu ist, dass der Miteigentümer seine ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern oder der Eigentümergemeinschaft obliegenden Pflichten so schwer verletzt hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.

Hat der Miteigentümer seine Eigentumswohnung vermietet, ist ein Pflichtverstoß gegeben, wenn er trotz erheblicher Störungen seines Mieters untätig bleibt. Erhebliche Störungen des Mieters sind etwa gravierende Nachbarschaftsstreitigkeiten, Tätlichkeiten und / oder Beleidigungen gegenüber anderen Wohnungseigentümern oder durch ein dauerhaftes so genanntes Messie-Syndrom verursachte erhebliche Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer wie beispielsweise Ungezieferbefall bzw. eine Rattenplage und Geruchsemissionen.

2.3.2. Miteigentümer muss zuvor abgemahnt werden

Die Entziehung des Wohnungseigentums gegenüber dem vermietenden Miteigentümer setzt voraus, dass dieser wegen seiner Untätigkeit gegenüber seinem fortlaufend störenden Mieter abgemahnt wird. Der Miteigentümer muss also trotz mindestens drei gravierender Pflichtverstöße seines Mieters tatenlos geblieben sein, da trotz Abmahnung ein wiederholter grober Verstoß vorzuliegen hat, § 17 Abs. 2 WEG.

Das Entziehungsrecht nach § 17 Abs. 1 WEG steht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu, so dass die Abmahnung durch den Verwalter als Vertretungsorgan zu erfolgen hat. Da der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG nur zu Maßnahmen „von untergeordneter Bedeutung“ berechtigt ist, sollte er stets durch Beschluss der Wohnungseigentümer zur Erteilung der Abmahnung gegenüber dem Miteigentümer ermächtigt sein.

Auf eine Abmahnung der fortgesetzten Untätigkeit gegenüber dem Miteigentümer bei weiteren Störungen des Mieters kann grundsätzlich verzichtet werden, wenn gegen den Miteigentümer ein gerichtliches Verfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums anhängig ist und der Miteigentümer auch weiterhin keine Maßnahmen gegen den fortlaufend störenden Mieter ergreift (BGH, Beschluss vom 25.01.2018, Az.: V ZR 141/17). Da der Miteigentümer zu keiner Verhaltensänderung bereit ist, wäre eine weitere Abmahnung von vornherein zwecklos.

2.3.3. Kein Verschulden des Miteigentümers notwendig

Obwohl nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 WEG ein Verschulden des mittelbar störenden Miteigentümers erforderlich ist, ist die Rechtsprechung anderer Ansicht. Ein schuldhaftes und subjektiv vorwerfbares Verhalten des Störers sei nicht notwendig. Denn auch wenn der Störer aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung sein Verhalten nicht oder nur schwer vermeiden könne, sei es trotzdem möglich, dass den anderen Eigentümern eine Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zuzumuten sei (LG Hamburg, Urteil vom 06.04.2016, Az.: 318 S 50/15).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, dass die Schuldunfähigkeit des Störers bei der Beurteilung der Schwere seiner Pflichtverletzung zu berücksichtigen sei. Ob ein Verschulden dann für den jeweiligen Entziehungsgrund erforderlich sei oder nicht, hätten die jeweiligen Fachgerichte zu klären (BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993, Az.: 1 BvR 1523/92).

Werden diese Grundsätze auf die Untätigkeit des Miteigentümers gegen seinen störenden Mieter übertragen, dürfte es keine Rolle spielen, ob der Miteigentümer etwa wegen Erkrankung oder aus sonstigen Gründen nicht gegen den Mieter vorgehen kann. Denn bei erheblichen Störungen des Mieters ist den anderen Wohnungseigentümern oder der Eigentümergemeinschaft die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem Miteigentümer nicht mehr zuzumuten.

2.3.4.Verwirkung vermeiden, Entziehungsrecht sofort durchsetzen

Das Entziehungsrecht kann verwirken, wenn es jahrelang nicht geltend gemacht wird und die Entziehungsgründe zwischenzeitlich entfallensind. Ebenso dürfte es sein, wenn die Gründe noch gegeben sind. Das gilt auch, wenn ein von den Wohnungseigentümern gerichtliches Entziehungsurteil jahrelang nicht vollstreckt oder ein gefasster Entziehungsbeschluss jahrelang nicht weiterverfolgt wurde. Daher sollte das Entziehungsrecht möglichst zeitnah durchgesetzt werden.

2.3.5. Worauf es bei der Beschlussfassung über die Entziehung ankommt

Auch wenn dies nach dem Inkrafttreten der WEG-Reform nicht mehr gesetzlich geregelt ist, sollten die Wohnungseigentümer stets einen Beschluss über die Entziehung des Wohnungseigentums eines (mittelbar) störenden Miteigentümers fassen.

Bei der Beschlussfassung ist das innerhalb der Eigentümergemeinschaft ansonsten auch geltende Stimmprinzip maßgeblich (nach Köpfen, § 25 Abs. 2 WEG, oder nach Vereinbarung, etwa nach Miteigentumsanteilen). Es reicht die einfache Mehrheit. Der störende Miteigentümer ist nicht stimmberechtigt, da sich die Beschlussfassung die Einleitung eines Rechtsstreits gegen ihn bezieht, § 25 Abs. 4 WEG.

2.3.6. Entziehungsbeschluss: Miteigentümer kann anfechten

Wird dem mittelbar störenden Miteigentümer das Wohnungseigentum durch Beschluss entzogen, kann er den Beschluss (wie jeden anderen auch) anfechten. Das geschieht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG durch eine Anfechtungsklage. Die Klage wird vom Gericht daraufhin überprüft, ob

  • der Beschluss formell rechtens ist, ihm also auch eine erforderliche Abmahnung des Miteigentümers vorausgegangen ist
  • das beanstandete Verhalten des Miteigentümers einen Entziehungsgrund rechtfertigen kann

Eine sachliche Prüfung nimmt das Gericht allerdings nicht vor. Ob Entziehungsgründe tatsächlich vorliegen, wird erst geprüft, wenn die Eigentümergemeinschaft gegen den Miteigentümer auf Veräußerung des Wohnungseigentums klagt (BGH, Urteil vom 05.04.2019, Az.: V ZR 339/17). Der Miteigentümer kann also nicht mit der Begründung anfechten, seiner Ansicht nach seien keine Entziehungsgründe gegeben.

2.3.7. So erfolgt die Entziehung des Wohnungseigentums

Der bestandskräftige Entziehungsbeschlusses hat zur Folge, dass der mittelbar störende Miteigentümer seine Eigentumswohnung zu veräußern hat, § 17 Abs. 1 WEG. Kommt er dem nicht nach, kann die Eigentümergemeinschaft auf Veräußerung der Eigentumswohnung klagen. Wird der verklagte Miteigentümer zur Veräußerung verurteilt und verkauft er die Eigentumswohnung trotzdem nicht, ist die Eigentümergemeinschaft berechtigt, die Wohnung zwangsversteigern zu lassen, § 17 Abs. 4 WEG.

Wurde das Wohnungseigentum entzogen und veräußert, kann es sein, dass das Mietverhältnis auf den Erwerber übergeht. Dann muss dieser dafür sorgen, dass Störungen des Mieters unterbleiben.

3. Eigentümergemeinschaft und betroffener Eigentümer gegen Mieter: Diese Möglichkeiten bestehen

Soll gegen den störenden Mieter vorgegangen werden, sind die folgenden beiden Ansprüche auf Unterlassung zu unterscheiden:

  • Einerseits kann die Eigentümergemeinschaft die sich aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte geltend machen, wozu sie nach § 9a Abs. 2 WEG berechtigt ist
  • Andererseits kann der einzelne Wohnungseigentümer aus eigenem Recht gegen Störungen seines Sondereigentums vorgehen, §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, 1004 BGB

Die Ansprüche können im Wege der Unterlassungsklage bzw. bei besonderer Eilbedürftigkeit mittels einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden. 

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3.1. Verwalter nicht zuständig

Soweit der Verwalter für die Durchführung der Hausordnung sorgen muss, besteht diese Verpflichtung nur hinsichtlich der Eigentümergemeinschaft bzw. den einzelnen Wohnungseigentümern. Gegenüber einem Mieter ist der Verwalter dazu grundsätzlich nicht berechtigt. Allerdings hat der Verwalter auf den vermietenden Miteigentümer dahingehend einzuwirken, dass er seinen Mieter zu einem ordnungsgemäßen Gebrauch der Mietsache anhält.

Ausnahmen bestehen zum einen, wenn der Verwalter etwa in der Gemeinschaftsordnung durch die Wohnungseigentümer dazu ermächtigt wird, auch gegenüber Mietern die Hausordnung durchzusetzen. Zum anderen ist es möglich, dass der Verwalter neben der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums auch für die Sondereigentumsverwaltung zuständig ist und daher den Mieter bei Verstößen kraft Vollmacht des vermietenden Miteigentümers abmahnen sowie notfalls kündigen kann.

3.2. Eigentümergemeinschaft gegen Mieter: Gemeinschaftseigentum muss betroffen sein

Die Eigentümergemeinschaft kann den Mieter auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn er gegen die Hausordnung verstößt oder fortlaufend das Gemeinschaftseigentum beschädigt. Ein Unterlassungsanspruch kommt auch in Betracht, wenn der Mieter das Sondereigentum entgegen dem Bestimmungszweck nutzt (LG Bochum, Urteil vom 16.07.2018, Az.: 1 O 318/17).

Werden die Rechte der Eigentümergemeinschaft durch den Mieter verletzt und wurden dem Verwalter für solche Situationen keine klaren sowie eindeutigen Vorgaben durch Beschluss zugewiesen wurden, muss dieser die Eigentümerversammlung über die Vorgehensweise beschließenlassen. Es ist dann ein Beschluss des Inhaltes zu fassen, dass der störende Mieter abzumahnen bzw. zur Unterlassung aufzufordern und im Wiederholungsfall ein Rechtsanwalt mit der Einleitung rechtlicher Schritte gegen den Störer zu beauftragen ist.

3.3. Betroffener Eigentümer gegen Mieter: Sondereigentum wird beeinträchtigt

Das Sondereigentum wird insbesondere dann beeinträchtigt, wenn sich in dessen räumlichen Bereich Störungen zeigen, so etwa durch Lärm, Gerüchen, starke Verschattung oder eine erhebliche Beschränkung der Aussicht. Eher seltener sind die Fälle einer Substanzverletzung. Setzt sich der betroffene Wohnungseigentümer dagegen zur Wehr, muss er im Rahmen einer Unterlassungsklage bzw. einer einstweiligen Verfügung nachweisen bzw. glaubhaft machen, dass wiederholte Störungen von einiger Bedeutung vorliegen. Entscheidend ist, dass

die Störungen objektiv als lästig und damit als gravierend empfunden werden (BGH, Urteil vom 26.10.2018, Az.: V ZR 143/17). Dies muss der betroffene Eigentümer im Gerichtsverfahren im Einzelnen genau vortragen. Bei akustischen Beeinträchtigungen empfiehlt es sich, ein sogenanntes Lärmprotokoll über Art, Tageszeit, Dauer und Intensität der Störungen vorzulegen.

Ist allein das Sondereigentum beeinträchtigt, kann der Individualanspruch des Eigentümers auf Unterlassung nicht durch Beschlussfassung zur Ausübung durch die Eigentümergemeinschaft übertragen werden.

Das gilt ebenso, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum betroffen wird. Die Eigentümergemeinschaft ist dann nur zur Geltendmachung von Ansprüchen bezüglich des Gemeinschaftseigentums berechtigt (BGH, Urteil vom 24.01.2020, Az.: V ZR 295/16). Werden sowohl das Gemeinschafts- als auch das Sondereigentum beeinträchtigt, darf der betroffene Eigentümer auch weiterhin gegen die Störung seines Sondereigentums selbst vorgehen (BGH, Urteil vom 11.06.2021, Az.: V ZR 41/19).

4. Betroffener Eigentümer gegen Miteigentümer: Störungen des Mieters sind abzustellen

Statt gegen den Mieter kann der in seinem Sondereigentum beeinträchtigte Wohnungseigentümer auch unmittelbar gegen den vermietenden Miteigentümer vorgehen. So ist ein Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, psychische Beeinträchtigungen durch einen Mieter seines Sondereigentums, die den räumlich-gegenständlichen Bereich des Sondereigentums der anderen behindern, zu verhindern oder abzustellen (Saarländisches OLG, Beschluss vom 04.04.2007, Az.: 5 W 2/07-2). Auch darf der Miteigentümer dem Mieter den Gebrauch der Eigentumswohnung nicht mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen.

Wird also das Sondereigentum durch den Mieter beeinträchtigt (siehe dazu „3.3. Betroffener Eigentümer gegen Mieter: Sondereigentum wird beeinträchtigt“) und der vermietende Miteigentümer unternimmt nichts dagegen oder hat dem Mieter die Störungen sogar mietvertraglich gestattet, ist der betroffene Eigentümer berechtigt, den Miteigentümer auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

5. Wie vorgehen: Gegen Miteigentümer, gegen Mieter oder gegen beide zugleich?

In der Praxis stellt sich die Frage, gegen wen die im Gemeinschaftseigentum beeinträchtigte Eigentümergemeinschaft bzw. der im Sondereigentum von Störungen betroffene Wohnungseigentümer am besten vorgehen soll.

Abzustellen ist auf den konkreten Einzelfall. Grundsätzlich ist die Einwirkungspflicht des vermietenden Miteigentümers auf dessen störenden Mieter schwieriger durchzusetzen bzw. zu vollstrecken als der unmittelbar gegen den Mieter gerichtete Unterlassungsanspruch. Ist bei dem Mieter allerdings finanziell „nichts zu holen“, etwa weil er die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wird die Eigentümergemeinschaft bzw. der betroffene Wohnungseigentümer aller Voraussicht nach auf den Anwaltskosten bzw. den Verfahrenskosten in einem Gerichtsprozess „sitzen bleiben“.

Die Eigentümergemeinschaft sollte daher sorgfältig abwägen, ob sie gegen den Mieter, den vermietenden Miteigentümer oder gegen beide zugleich vorgeht. In den meisten Fällen dürfte der Unterlassungsanspruch gegen den Mieter am sinnvollsten sein.

Ähnlich verhält es sich bei dem beeinträchtigten Wohnungseigentümer. Auch hier ist ein Vorgehen gegen den Mieter meistens der bessere Weg. Zudem besteht folgende Besonderheit: Stört der Mieter nicht nur das Sondereigentum, sondern auch das Gemeinschaftseigentum, kann der Eigentümer zweigleisig verfahren. Zum einen sollte er den störenden Mieter zur Unterlassung der Beeinträchtigungen seines Sondereigentums auffordern (oder den Miteigentümer zur Einwirkung auf dessen Mieter). Zum anderen kann er eine Kopie des Aufforderungsschreibens an den Verwalter mit der Bitte senden, dass die Eigentümergemeinschaft ein Vorgehen gegen die Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums prüfen soll.

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